Elternkarenz

Auch gleichgeschlechtliche Paare gründen Familien: Regenbogenfamilien. Häufig taucht in der RKL-Rechtsberatung die Frage auf, ob nicht nur der leibliche Elternteil sondern auch der Stiefelternteil Anspruch auf Elternkarenz und Kinderbetreuungsgeld haben.
Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld haben, neben den leiblichen Eltern, auch Adoptiveltern und auch Pflegeeltern. Wurde das Stiefkind adoptiert, so besteht jedenfalls Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld. Wurde das Stiefkind (noch) nicht adoptiert, so muss der Stiefelternteil auch Pflegeelternteil (Pflegemutter, Pflegevater) sein.
Seit 2001 sind Pflegeeltern auch alle Personen, die die Pflege und Erziehung eines Kindes rein faktisch (mit)besorgen und zu denen eine dem Eltern-Kind-Verhältnis nahekommende Beziehung besteht (oder auch nur hergestellt werden soll).
Nach diesem familienrechtlichen Pflegeelternbegriff sind daher auch Stiefelternteile (auch gleichgeschlechtliche) “Pflegeeltern”. Als solche haben sie Antragsrecht und Parteistellung in den die Person des Kindes – nicht also die Vermögensverhältnisse – betreffenden Gerichtsverfahren (wie z. B. zur Obsorge und zu Besuchsrechten). Wenn die Obsorge neu verteilt werden muss (etwa nach dem Tod des leiblichen Elternteils) ist ein solcher Stiefelternteil (nach dem anderen leiblichen Elternteil) gleichberechtigt mit den Großeltern primärer Anwärter auf die Obsorge für das Stiefkind. Kommt die Übertragung der Obsorge auf den anderen Elternteil nicht infrage (weil er z. B. verstorben oder unbekannten Aufenthalts ist oder bei ihm das Kindeswohl nicht oder schlechter gewährleistet ist), so prüft das Gericht, ob dem Kindeswohl die Übertragung der Obsorge an den Stiefelternteil oder an die Großeltern besser entspricht.
Kinderbetreuungsgeld leichter als Elternkarenz
Auch außerhalb des Familienrechts kommen gleichgeschlechtlichen Partnerinnen und Partnern, die im oben dargestellten Sinn “Pflegeeltern” sind, und ihren Stief- bzw. Pflegekindern alle Rechte zu, die Pflegeeltern bzw. Pflegekindern zustehen, wie z. B. Pflegefreistellung im Krankheitsfall, die Familienbeihilfe, die Mitversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung und eben auch das Kinderbetreuungsgeld. Voraussetzung ist (lediglich), dass sich der Stiefleternteil an der Pflege und Erziehung des Kindes beteiligt.
Ein Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber auf Elternkarenz hingegen besteht nur für leibliche und Adoptiveltern sowie für jene Pflegeeltern, die ein Kind in der Absicht in Pflege genommen haben, es zu adoptieren. Die Pflegeelterneigenschaft alleine genügt also hier – anders als beim Kinderbetreuungsgeld - nicht. Es muss die Adoptionsabsicht dazu kommen. Nur dann muss der Arbeitgeber (auch) dem Stiefelternteil Elternkarenz gewähren.
Ist das Stiefkind nicht das leibliche sondern ein adoptiertes Kind des/der PartnerIn, so kann die Adoptionsabsicht nicht zu einer Adoption führen, weil die Sukzessivadoption bei eingetragenen Paaren, anders als bei Ehepaaren, verboten ist. Dieses Verbot diskriminiert freilich gleichgeschlechtliche Paare, weshalb die Elternkarenz auf Grund des EU-Diskriminierungsverbots wohl nicht verweigert werden darf.
Dr. Helmut Graupner ist Rechtsanwalt in Wien, Präsident des Rechtskomitees LAMBDA (RKL), Co-Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Sexualforschung (ÖGS) sowie Vice-President for Europe der International Lesbian and Gay Law Association (ILGLaw) und Co-Coordinator der European Commission on Sexual Orientation Law (ECSOL)
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