VfGH: Samenspendeverbot für lesbische Paare ist verfassungswidrig

Fünfter Riesenerfolg der RKL-Klagsoffensive
Rechtskomitee LAMBDA: „Ein großer Tag für den österreichischen Rechtsstaat“
Das Rechtskomitee LAMBDA (RKL), Österreichs Bürgerrechtsorganisation für homo- und bisexuelle sowie transidente Frauen und Männer, feiert den fünften großen Erfolg seiner EP-Klagsoffensive. In einer weltweit bahnbrechenden Entscheidung hat der Verfassungsgerichtshof die gesetzliche Beschränkung der medizinisch unterstützten Fortpflanzung auf verschiedengeschlechtliche Ehen und Lebensgemeinschaften aufgehoben.
Nach dem Bindestrich bei Doppelnamen, der nachträglichen Annahme eines Doppelnamens, der Zeremonie samt JA-Wort und Trauzeugen sowie dem Amtsraumzwang hat der Verfassungsgerichtshof nun das fünfte Mal in einem von RKL-Präsident Dr. Helmut Graupner vertretenen Verfahren im Zuge der RKL-EP-Klagsoffensive, die Gleichstellung von Ehe und EP angeordnet. Für das Verbot der Samenspende bei lesbischen Paaren sehen die VerfassungsrichterInnen keinen Grund. Auch die traditionelle Familie ist nicht tangiert, wenn der Kinderwunsch gleichgeschlechtlicher Paare erfüllt wird, erkannten sie. Symbolträchtig fällten die Verfassungsrichter ihr heute bekanntgegebenes bahnbrechendes Urteil am 10. Dezember 2013, dem Internationalen Tag der Menschenrechte.
Christina Bauer ist österreichische und Daniela Bauer deutsche Staatsbürgerin. 2008 sind sie in Deutschland die eingetragene Lebenspartnerschaft eingegangen und anschliessend nach Wels in Oberösterreich gezogen.
Christina möchte durch medizinisch unterstützte Fortpflanzung (Samenspende) ein Kind empfangen und Daniela hat dem, gerichtlich beglaubigt, zugestimmt. Beide freuen sich darauf, mit dem leiblichen Kind Christinas ein glückliches Familienleben zu führen. Doch der Gesetzgeber hat ihnen einen bösen Strich durch die Rechnung gemacht.
Landesgericht Wels: Frauen sollen nach Deutschland fahren
Mit Einführung der EP wurde medizinisch unterstützte Fortpflanzung in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften ausdrücklich verboten. Strafe: bis zu EUR 36.000,-- Geldstrafe oder bis 2 Wochen Haft. Damit wird Frauen (unter Strafandrohung) die Fortpflanzung verboten, bloß weil sie mit einer anderen Frau, und nicht mit einem Mann, in einer Partnerschaft leben. Lesbischen Frauen (auch alleinstehenden), denen ein Geschlechtsverkehr entgegen ihrer sexuellen Orientierung (und bei Paaren entgegen ihres Treueversprechens) nicht zumutbar ist, wird praktisch jede Fortpflanzung untersagt.
Daniela & Christina Bauer haben 2010 beim Bezirksgericht Wels beantragt, die Zustimmung Danielas zu gerichtlichem Protokoll zu nehmen (eine der gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit der medizinisch unterstützten Samenspende). Das Bezirksgericht hat den Antrag im März 2010 abgewiesen und das Landesgericht Wels im Juni 2010 diese Abweisung bestätigt. Es sei weder die Europäische Menschenrechtskonvention verletzt noch die Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union (Deutschland kennt kein entsprechendes Fortpflanzungsverbot). Die Frauen könnten ja zur Samenspende nach Deutschland fahren.
Der Oberste Gerichtshof sah das anders. Zweimal beantragte er, beim Verfassungsgerichtshof das Verbot als verfassungswidrig aufzuheben (OGH 22.03.2011, 3 Ob 147/10d; OGH 19.12.2012, 3 Ob 224/12f).
Zusätzlich hat sich ein Wiener Frauenpaar, das auch in eingetragener Partnerschaft verbunden ist, direkt an den Verfassungsgerichtshof gewandt und ebenfalls die Aufhebung des Verbots beantragt (G 44/2013).
Vater-Mutter-Kind-Familien nicht berührt
In seinem heute veröffentlichten Erkenntnis bekräftigt der Verfassungsgerichtshof, dass auch gleichgeschlechtliche Paare (mit Kindern) Familie sind (VfGH 10.12.2013, G 16/2013, G 44/2013, par. 36). Der Ausschluss lesbischer Paare von Samenspenden könne auch nicht mit dem Schutz der traditionellen (verschiedengeschlechtlichen) Familie gerechtfertigt werden, weil gleichgeschlechtliche Partnerschaften „nicht in einem Substitutionverhältnis zu Ehen und verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaften (stehen) sondern (…) zu diesen hinzu(treten); sie vermögen diese daher auch nicht zu gefährden“ (par. 54).
Auch gleichgeschlechtlichen Paaren kommt das Menschenrecht auf Fortpflanzung zu (Art. 8 EMRK), so die 14 VerfassungsrichterInnen (par. 50). Die Beschränkung zulässiger Methoden medizinisch unterstützter Fortpflanzung auf die Überbrückung von Fertilitätsproblemen in heterosexuellen Lebensgemeinschaften und Ehen ist nicht verhältnismäßig und diskriminierend (par. 47).
In einer Stellungnahme an den VfGH hatte die Bioethikkommission der Bundesregierung mit überwältigender ¾-Mehrheit die Aufhebung des Verbots befürwortet
Die Entscheidung des VfGH ist die weltweit erste, mit der ein Höchstgericht den Ausschluß lesbischer Paare von medizinisch unterstützter Fortpflanzung als Menschenrechtsverletzung erkennt.
Eigentor der ÖVP
Die ÖVP hat sich durch das Beharren auf dem Samenspendeverbot für lesbische Paare ein Eigentor geschossen. Denn mit der vom VfGH (per 31.12.2014) verfügten Aufhebung von Teilen des Fortpflanzungsmedizingesetzes entfallen auch Beschränkungen für heterosexuelle Paare gegen deren Beseitigung sich die ÖVP stets hartnäckig quergelegt hat.
So entfällt der Nachweis, dass sich Paare, bevor sie zu einer künstlichen Befruchtung zugelassen wurden, "allen möglichen und zumutbaren Behandlungen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft durch Geschlechtsverkehr" unterzogen haben mussten (§ 2 Absatz 2). Ebenso das Verbot der In-vitro-Fertilisation (Vereinigung von Ei- und Samenzellen nicht im Körper der Frau sondern im Labor) mit einem Spendersamen (§ 3 Absatz 1 & 2).
Um diese Regelungen wieder einzuführen braucht die ÖVP nun ihren Koalitionspartner. Kommt eine Einigung nicht zustande, kommt es (ab 1. Jänner 2015) zu dieser Liberalisierung auch für heterosexuelle Paare.
„Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs ist großartig, historisch und bahnbrechend“, sagt der Präsident des RKL und Rechtsanwalt der vier Beschwerdeführerinnen Dr. Helmut Graupner, „Heute ist ein großer Tag für den österreichischen Rechtsstaat“.
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