Das Wahlergebnis: Chance für die Gleichberechtigung

Die Nationalratswahl 2013 ist geschlagen. Die Ergebnisse wurden bereits in allen möglichen Richtungen hin analysiert und, ob der Gewinne der FPÖ, vielfach beklagt. Für die Verwirklichung LesBiSchwuler Gleichberechtigung bietet der Wahlausgang jedoch neue Chancen.
Das national-konservative Lager aus ÖVP, FPÖ und BZÖ errang bei der letzten Wahl 2008 106 Sitze, also eine satte Mehrheit im 183 Sitze zählenden Nationalrat (ÖVP: 51, FPÖ: 34, BZÖ: 21). Diese drei Parteien formierten auch das homophobe Lager. Von der kurzen Phase der VP-Obmannschaft Josef Prölls abgesehen (der wir die Eingetragene Partnerschaft verdanken) haben sich diese drei Parteien stets gegen gleiche Rechte für Lesben, Schwule und Bisexuelle gestellt und alle entsprechenden (parlamentarischen) Initiativen niedergestimmt. FPÖ und BZÖ (letzteres mit der einzigen wiewohl fulminanten Ausnahme des Abgeordneten Gerald Grosz) haben sogar trotz des Urteils der Großen Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Fall X ua gegen Österreich 2013) gegen die Gleichstellung bei der Stiefkindadoption gestimmt und damit bewußt für eine fortgesetzte Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention.
Erstmals seit 1994 keine homophobe Mehrheit
Aus der satten homophoben Mehrheit von 106 Sitzen wurde durch die Wahl eine Minderheit von nur mehr 87 Sitzen (ÖVP: 47, FPÖ: 40). Erstmals seit 1994 (der kurzen Phase zwischen der Abspaltung des LIF von der FPÖ bis zur Wahl 1994) haben wir nun im Nationalrat eine Mehrheit nicht-homophober Parteien (SPÖ: 52, Grüne: 24, Stronach: 11, NEOS: 9). SPÖ und Grüne unterstützen seit langem vollinhaltlich die wichtigsten Forderungen LesBiSchwuler Gleichberechtigung (Zivilehe, Gleichstellung von Regenbogenfamilien und Diskriminierungsschutz auch außerhalb des Arbeitsplatzes). Die NEOS bekundeten das ebenfalls; lediglich bei der Zivilehe zauderten sie bislang noch herum. Während Frank Stronach sich wiederholt klar für die (bspw in Kanada 2005 erfolgte) Aufhebung des Eheverbots für gleichgeschlechtliche Paare ausgesprochen hat und das Team Stronach auch in seiner offiziellen Beantwortung der RKL-Wahlumfrage betont hat, dass es nur mehr eine Form der Partnerschaft für alle geben soll, und sich zudem gegenüber der Gleichstellung von Regenbogenfamilien offen gezeigt hat.
RKL fordert freie Abstimmung ohne Koalitionszwang
Abgesehen von der Möglichkeit, dass eine oder mehrere dieser vier Parteien, die LGBT-Freundlichkeit bewiesen oder zumindest bekundet haben, in den kommenden fünf Jahren wortbrüchig werden (ihre Versprechungen im Detail finden sich im Wahlspecial des RKL auf www.rklambda.at/News/nrw2013/nrw2013.htm), kann somit die Umsetzung der Gleichberechtigung nur daran scheitern, dass sich eine (oder auch mehrere) dieser Parteien in eine Koalition mit einer der beiden homophoben Parteien begeben und sich in dieser Koalition so aneinander schmieden, wie dies SPÖ und ÖVP bisher stets getan haben. Diese Aneinanderkettung ist von einer rot-schwarzen Koalition auf die nächste immer stärker geworden. Zuletzt durften die Koalitionspartner im Parlament nicht nur einander nicht überstimmen sondern nicht einmal mehr eigenständige Gesetzesanträge einbringen. In den 90ern beispielsweise hatte die SPÖ noch in jeder Legislaturperiode Anträge auf Aufhebung der homophoben Sonderstrafgesetze eingebracht. Das war während der letzten Koalition (2008-2013) nicht mehr möglich, hatte sich die SPÖ doch verpflichtet, nur mehr solche Gesetzesvorschläge einzubringen, die zuvor von der ÖVP genehmigt wurden …
Wir vom Rechtskomitee LAMBDA (RKL) appellieren daher an alle sechs Parteien, insbesondere an die vier nicht-homophoben, trotz Koalitionsbildungen und –bindungen, über Themen LesBiSchwuler Gleichberechtigung eine freie Abstimmung zuzulassen Die Menschenrechte von LGBT´s sollten kein Objekt von Koalitionsspielchen sein. Erst recht nicht, als nach dieser Wahl nicht mehr nur eine Mehrheit der Bevölkerung sondern erstmals auch eine Mehrheit im Parlament die Verwirklichung dieser Menschenrechte befürwortet.
Nachdem am Wahlabend allseits bekundet wurde, dass es so wie bisher (in der rot/schwarzen Koalition) nicht weitergehen könne und „etwas völlig Neues“ hermüsse, sollte das ja möglich sein. Falls das alles aber wieder nur Sprechblasen waren, so ist spätestens in fünf Jahren mit dem Wahltag wieder Zahltag.
Aktuelles stets auf www.RKL ambda.at
Dr. Helmut Graupner ist Rechtsanwalt in Wien, Präsident des Rechtskomitees LAMBDA (RKL), Co-Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Sexualforschung (ÖGS) sowie Vice-President for Europe der International Lesbian and Gay Law Association (ILGLaw) und Co-Coordinator der European Commission on Sexual Orientation Law (ECSOL).