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Während EU & UNO Homophobie bekämpfen: Österreichs Justiz versagt bei homophober Gewalt

2013-05-17|05:12 · von RKLambda

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Rechtskomitee LAMBDA (RKL) fordert Diskriminierungsschutz außerhalb der Arbeitswelt

Die EU-Grundrechteagentur präsentiert heute die Ergebnisse ihrer historischen unionsweiten Homophobiestudie. Und auch die UNO engagiert sich im Kampf gegen Homophobie. In Österreich hingegen schützt der Bund Homosexuelle noch immer nicht vor Diskriminierung außerhalb des Arbeitsplatzes. Und die Justiz versagt bei der Sanktionierung homophober Gewalt, kritisiert das Rechtskomitee LAMBDA (RKL), Österreichs Bürgerrechtsorganisation für homo- und bisexuelle sowie transidente Frauen und Männer.

In den vergangenen zwei Jahren hat die EU-Grundrechtagentur www.fra-europa.eu) 93.000 homo- und bisexuelle sowie transidente Personen (LGBT) in der gesamten Union befragt und wird die Ergebnisse dieser historisch und weltweit einzigartigen Studie am heutigen Internationalen Tag gegen Homophobie (IDAHO) in Den Haag der Öffentlichkeit präsentieren fra.europa.eu/de/event/2013/prasentation-der-ergebnisse-der-bisher-grossten-umfrage-zu-hassverbrechen-und). Und auch die UNO erhebt ihre Stimme markant gegen Homophobie www.youtube.com/watch?v=sYFNfW1-sM8).

Die Ergebnisse der EU-Studie sind erschreckend. Die übergroße Mehrheit der LGBT-Personen hat Diskriminierung erfahren müssen, sowohl in als auch außerhalb der Arbeitswelt. Mehr als 25% wurden in den letzten 5 Jahren Opfer von Gewalt, und nur weniger als jedes fünfte Gewaltopfer hat Anzeige erstattet.

In Österreich schützt der Bund (anders als 8 der 9 Bundesländer in ihren Landesgesetzen) Homosexuelle immer noch nur am Arbeitsplatz, nicht aber außerhalb. Es ist daher hierzulande immer noch völlig legal, Homosexuelle beispielsweise aus Lokalen zu werfen, ihnen Mietwohnungen oder Hotelzimmer zu verweigern oder sie einfach nicht bedienen. Und sogar in der Arbeitswelt selbst verwehren Gerichte, bis hin zum Obersten Gerichtshof, bei homophober Diskriminierung den gesetzlich vorgesehenen Schutz (vgl. www.rklambda.at/iusamandi/ia-1-12.pdf).

Damit nicht genug, versagt auch noch die Justiz bei der Sanktionierung roher homophober Gewaltexzesse, wie zwei Beispiele aus jüngster Zeit erschreckend dokumentieren.


Wie ein Hund nach draußen gejagt

J.E. wurde im Sommer des Vorjahres bei einem Musikfestival in St. Pölten Opfer schwerer homophober Übergriffe durch zwei Securities. Am frühen Morgen gegen Ende der Veranstaltung saß er in der nur noch schütter besuchten Festhalle und tauschte mit einem anderen Mann Zärtlichkeiten aus. Plötzlich wurde er von den beiden Securities grob und aggressiv aufgefordert, dieselben zu beenden und in der Folge vom Festivalgelände getrieben. Unter wüstesten Beschimpfungen und schweren homophoben Beleidigungen, mit Faustschlägen und Fußtritten haben ihn die beiden Securities wie einen Hund nach draußen gejagt. Aufgrund der massiven Aggressivität und der schwulenfeindlichen Beschimpfungen hatte der Mann reale Todesangst, umgebracht oder zumindest schwer verletzt zu werden, sobald außerhalb des Festivalgeländes keine Zeugen mehr anwesend sind.

Tatsächlich hat J.E. durch den Gewaltexzess erhebliche Verletzungen davon getragen. Obwohl er die Polizei gerufen hatte, verhielt sich diese ihm gegenüber voreingenommen und aggressiv nachdem die Täter ihn ihrerseits plötzlich (fälschlich) beschuldigten, in der Festhalle mit dem anderen Mann sexuelle Handlungen vorgenommen und dadurch ein Sexualdelikt begangen zu haben. Deshalb hätten sie ihn nach draußen gebeten und begleitet …

Opfer zum Täter gestempelt

Das Opfer fand sich nun plötzlich in der Rolle des beschuldigten Sexualstraftäters wieder, was ihn nicht nur finanziell sondern auch psychisch schwer belastet und gedemütigt hat. Schlußendlich hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen ihn eingestellt. Allerdings ebenso auch gegen die Gewalttäter. Das Opfer beantragte die Fortführung des Verfahrens doch das Gericht hat die Einstellung bestätigt (Landesgericht St. Pölten 15.04.2013, 20 Bl 8/13a), weil es keine unmittelbaren Tatzeugen gibt und die Verletzungen des Opfers auch von jemand anders stammen könnten.

Diese Begründung kommt einer Verhöhnung des Opfers gleich. Denn zum einen hatte die Polizei keinerlei Anstalten gemacht, unmittelbare Tatzeugen ausfindig zu machen sondern konzentrierte sich auf die Verfolgung des Opfers als angeblicher Sexualstraftäter. Zum anderen stellt es trauriges Allgemeinwissen dar, dass Passanten derartiger Vorfälle regelmäßig bestrebt sind, nicht involviert zu werden und sich nur selten als Zeugen zur Verfügung stellen. Und die durch mehrfache Befunde nachgewiesenen Verletzungen konnten von niemand anderem verursacht worden sein. Sofort an Ort und Stelle hatte der Notarzt Verletzungen festgestellt. Das Opfer hatte sogleich die Polizei herbeigerufen und auch den Veranstaltern per SMS und in einem Telefongespräch sofort an Ort und Stelle die soeben erfolgten Übergriffe ihrer Securities gemeldet. Die SMS-Nachrichten befinden sich im Gerichtsakt.


Massive Vorstrafen völlig ausgeblendet

Weder die Polizei noch die Staatsanwaltschaft noch das Gericht interessierten sich auch nur ansatzweise für das homophobe Motiv des Gewaltexzesses. Sogar die Vorstrafen der Securities (!) wegen Körperverletzung, gefährlicher Drohung, Besitzes verbotener Waffen sowie Suchtgifthandels als Mitglied einer kriminellen Vereinigung haben sie völlig ausgeblendet …

Ein ähnlicher Vorfall ereignete sich letzten Sommer in Wien. R.M. besuchte ein Gay-Clubbing in einer Innenstadtdiscothek. Besonders freizügig gekleidete (bis hin zu nackten) Personen wurden laut Bewerbung mit freiem Eintritt belohnt. Obwohl das Bewachungsunternehmen zuvor auf den Charakter der Veranstaltung hingewiesen worden war, kam es an diesem Abend wiederholt zu homophoben Aggressionen seitens des Wachpersonals. R.M. wurde wegen seines nackten Oberkörpers gestellt und rüde aufgefordert, ein Hemd überzuziehen. Als er sich weigerte, stießen ihn die Securities zu Boden, malträtierten ihn, griffen auch seinen ihm zu Hilfe eilenden Freund an und würgten diesen, schleiften R.M. nach draußen und ließen ihn dort mit voller Wucht auf den Asphaltboden fallen.

R.M. erlitt erhebliche Verletzungen, seine Kleidung wurde zerfetzt und sein Mobiltelefon zerstört. Er rief die Polizei und die Discothek erteilte in der Folge ihm (!) Hausverbot.


Milder behandelt als eine Wirtshausrauferei

Im Gegensatz zur St. Pöltner Polizei hat die Wiener Polizei vorbildlich ermittelt. Doch die Staatsanwaltschaft Wien hat keine Anklage erhoben sondern den Gewaltexzess als Bagatelle eingestuft. Sie hat das Verfahren gegen die Täter gegen eine bloße Probezeit von einem Jahr (bei möglichen 2 Jahren) eingestellt, ohne in irgendeiner Weise wenigstens zu verlangen, dass die Täter Schadenersatz leisten, gemeinnützige Arbeiten verrichten, eine Geldbuße zahlen oder sich zu einem außergerichtlichen Tatausgleich bereit finden (StA Wien 118 BAZ 1304/12a). Ein Jahr Probezeit ohne irgendwelche Weisungen, die absolut geringste „Sanktion“, die das österreichische Strafrecht überhaupt vorsieht: für einen homophoben Gewaltexzess durch Wachpersonal!

Auch die Staatsanwaltschaft Wien interessierte sich nur ansatzweise für das homophobe Motiv des Gewaltexzesses. Sie behandelte den homophoben Gewaltexzess wie eine gewöhnliche Wirtshausrauferei; und sanktionierte ihn überdies so milde wie kaum jemals eine Wirtshausrauferei …

Gegen einen solchen Rücktritt von der Verfolgung gibt es keinerlei Rechtsmittel.

Das Rechtskomitee LAMBDA (RKL) fordert angesichts dieser beiden Fälle im Zusammenhalt mit den Ergebnissen der heute präsentierten EU-Homophobiestudie, homophobe Gewalt endlich als solche bekämpfen. Straftaten, deren Motiv Hass ist, sei es auf Grund von Rasse, ethnischer Herkunft, sexueller Orientierung, Geschlecht(sidentität), Religion, Weltanschauung, Behinderung oder Alter, müssen im Gesetz als solche benannt werden (Hate-Crimes) und mit strengen Strafen belegt werden.

„Erschreckend ist schon der ungenügende gesetzliche Schutz gegen Homophobie“, sagt der Präsident des RKL und Rechtsanwalt der beiden Männer Dr. Helmut Graupner, „Noch erschreckender ist die verbreitete Unwilligkeit, wenigstens die vorhandenen Gesetze wirksam zu vollziehen“.

http://www.RKL ambda.at
Facebook: www.facebook.com/pages/Rechtskomitee-Lambda-RKL/339636156146361

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